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Ich hätte nie gedacht, dass ich mal das Wort «Boss» in Zusammenhang mit Kindern in den Mund nehmen werde. Doch in meiner über 20-jährigen Begleitung von Eltern und Kindern wurde das Phänomen immer sichtbarer, dass wir in der Eltern-Kind-Beziehung ein echtes Problem mit dem Thema «Führung» haben und dass nicht mehr klar ist, wer eigentlich der «Boss» ist.

Vielleicht denkst du gleich, aber ich möchte mein Kind doch nicht dominieren! Finde ich gut. Ich auch nicht. Dominanz und Führung sind nämlich so gar nicht dasselbe.

Kirsten Timmer

Nun, ich werde das besser beleuchten, was ich damit meine. Führung ist also ein sehr belegter Begriff. Er ist, ebenso wie der Begriff Hierarchie, in der Geschichte der Menschheit auch heute noch häufig mit Machtmissbrauch, Dominanz, Unter-Druck-Setzen und dem Nichtwahrnehmen des Gegenübers verbunden. Führung in der Dominanzkultur bedeutet, dass die hierarchisch höhere Person das von ihr geführte Gegenüber als eine Art «Objekt» sieht, welches als Erfüllungsgehilfe für die eigenen Interessen und Bedürfnisse dient.

Unsplash: Thiago Cerqueira

Aufgrund der schlechten Erfahrungen mit Führung, Autoritäten und Macht gab und gibt es nicht nur unter Eltern eine starke Gegenbewegung gegen Führung und gegen Hierarchie im Allgemeinen

Bezogene, fürsorgliche Führung jedoch und gesunde Hierarchie, eingebunden in natürliche Lebensprozesse, beziehen ihre Energie aus einer Verbindung mit – und tiefem Respekt vor dem Gegenüber. Bezogene Führung und natürliche Hierarchie dienen dem Leben. Hier lohnt ein Blick in die Natur, aber auch eine unbefangene Beobachtung unserer Kinder.

Kinder sind Säugetiere und kommen mit dem tiefen, inneren Wunsch auf die Welt, uns folgen zu wollen. Sie möchten insbesondere in den ersten 6 – 7 Lebensjahren alles von uns lernen. Ihr inneres biologisches Programm bringt den Instinkt mit, sich auf ein «Alpha» auszurichten, was ihm Orientierung gibt, was es einführt in die Regeln der Kultur und des Miteinanders, was ihm Wärme, Geborgenheit, Schutz und Sicherheit gibt.

Kinder wollen sich bei uns anlehnen dürfen und sicher sein, dass sie von uns alles bekommen und lernen, was sie für ihre Entwicklung brauchen.

Foto: Ante Hamersmit via Unsplash

Nun, füllen wir aus Angst, ihnen etwas anzutun oder aus Sorge, sie zu dominieren diesen Alpha Platz nicht aus, löst das in den Kindern eine Art «Überlebensmodus» aus. Sie beginnen sich selbst mehr zu «kümmern», übernehmen selbst mehr Kontrolle und gehen buchstäblich selbst in die Alpha Rolle. Denn die Natur hat es so vorgesehen, dass wir nur loslassen können, wenn wir fühlen, dass unser «Boss» da ist und in seiner/ihrer Kompetenz fühlbar ist.

Doch ein echter «Boss», bei dem ich mich als Kind wohlfühle und wirklich loslassen kann, der ist gleichzeitig fürsorglich und übernimmt eine liebevolle Versorgerrolle.

Als Kind spüre ich, wie Wärme und Freundlichkeit zu mir fliesst, aber ich fühle auch, dass ich mit meinen autonomen Bedürfnissen gesehen und unterstützt werde.

Fühle ich als Kind, dass gut für mich gesorgt ist und ich auch genug Raum bekomme für eigenständige, meinem Alter angepasste selbstwirksame Erfahrungen, dann verliebe ich mich so richtig in meinen «Boss».

In mir entsteht ein ganz neues Gefühl von «Boss», sozusagen «Boss 2.0». Ich erlebe die hierarchische Beziehung auf Augenhöhe und doch hierarchisch.

Übernehmen wir als Eltern diese Rolle des fürsorglichen Führung nicht, können die Kinder nicht anders als diese Rolle selbst mehr und mehr beginnen auszufüllen. Die Kinder werden «bossy», lassen sich nichts mehr sagen, wollen immer alles selbst entscheiden und beginnen mit ihren kindlichen Wünschen und «unreifen» Bedürfnissen das gesamte Geschehen zu dominieren.

Läuft es nicht nach ihrem Kopf, haben sie nicht die Aufmerksamkeit, die sie gewohnt sind, werden sie nicht von uns unterhalten und bespielt, reagieren sie darauf nicht selten mit heftigen Gefühlsausbrüchen.

Vielen Eltern macht der Gedanke an einen möglichen Wutanfall richtig Angst.

Kinder, die selbst die Führungsrolle eingenommen haben, lassen sich kaum etwas sagen, stehen oft im Mittelpunkt des Geschehens und dominieren nicht selten andere Kinder.

Tief drinnen jedoch sind sie super gestresst und haben Angst vor Versagen. Fühlen sie uns aber nicht in unserer fürsorglichen Alpha Qualität, können sie nicht loslassen und sich selbst sein.

Foto: Caroline Hernandez via Unsplash

Wenn wir besser verstehen, dass wir den Kindern das größte Geschenk machen, wenn wir selbst als Eltern in unsere authentische Lebenskraft kommen, unsere fürsorgliche Führungsrolle übernehmen und «einfach» ganz da sind, dann beruhigt sich etwas in ihnen. Sie können loslassen. Aber nur, wenn sie sicher sind. Wenn sie spüren, dass wir ihre Offenheit, ihre Menschlichkeit und ihre «Verletzlichkeit» nicht ausnutzen. Und wenn sie spüren, dass wir wirklich da sind und sie sich auf uns verlassen können. Unser Dasein beruhigt sie.

Wenn sie uns fühlen, bekommen sie wieder Boden unter den Füssen. Zu Beginn wehren sich die Kinder, ihre «Boss» Rolle abzugeben.

Wenn du verstehst, dass dein Kind einfach nur mega Angst hat, weil es unsicher ist, ob du wirklich als fürsorgliches Alpha da bist, ob es sich wirklich auf dich verlassen kann, dann hilft es dir möglicherweise, nicht in einen Machtkampf einzusteigen.

Denn wenn dein Kind dein «Nein» und deine Orientierung zu Beginn nicht annehmen will, dann zeigst du dein fürsorgliches Alpha sein nicht durch Dominanz, sondern durch Verständnis, Klarheit und Zugewandtheit. Und durch dein Wissen, dass es Angst hat, loszulassen. Gib ihm Zeit. Gib dir Zeit. Fühle deine Kraft in dir, deine Alpha Kraft. Stelle dir vor, du könntest dich so richtig bei einer kraftvollen Bärenmama oder einem kraftvollen, liebevollen Bärenpapa anlehnen, der oder die dich sieht und einfach «da» ist. Dieses innere Bild kann dir möglicherweise helfen, selbst für dein Kind da zu sein.

Wir sind ihr Anker. Was hilft dir, in dir verankert zu bleiben, wenn der Sturm tobt?

Foto: Xavier Mouton Photographie via Unsplash

Warum es uns schwer fällt, klare Orientierung und fürsorgliche Führung anzubieten

Oft gibt es in Eltern die innere Annahme oder Sorge, dass das Kind immer gesehen werden muss. Wir beginnen so unmerklich, das Kind ins Zentrum der Aufmerksamkeit zu stellen und geben ihm dadurch das Zeichen, dass der Fokus bei ihm ist.

So kann es sich nicht an uns orientieren beziehungsweise es orientiert sich schon an uns, indem es die Botschaft liest, dass da niemand ist, der oder die «führt» oder der man nachfolgen darf. Kinder lieben es nämlich in den ersten Jahren, wie kleine Entchen uns zu folgen und dabei nebenher die Welt zu entdecken. Aber nur, wenn sie fühlen, dass wir hinter ihnen stehen und «für» sie sind.

Foto: Nienke Burgers via Unsplash

Wem würdest du gerne einfach so folgen, wenn du dir vorstellst, nochmals Kind zu sein?

Welche Qualitäten müsste die Person haben, dass du ihr auch dein Herz schenkst? Ihr vertraust? Und doch fühlst, du kannst dich ganz bei ihr anlehnen?

Es gibt noch viele «gute» andere Gründe, warum es uns als Eltern schwer fällt, klar und bezogen zu führen, mit unserer eigenen Lebenskraft in Kontakt zu sein, die uns eine ganz natürliche Autorität verleiht, jenseits von Dominanz. Dazu gehe ich hier in diesem Text heute nicht weiter drauf ein.

Doch gut ist es allemal zu wissen, wenn Kinder zu viel selbst zum «Boss» werden, es einfach super anstrengend wird, ihnen alles recht zu machen und es dann auch super verständlich ist, warum uns irgendwann der Kragen platzt.

Ja… Danach fühlen wir uns schlecht oder halten es einfach kaum aus, dass wir so sind, wie wir uns verhalten haben. Viele, viele Eltern kennen das!

Von dem her sind unsere Kinder eine echte Einladung, in uns das gesunde, fürsorgliche Alpha zu entdecken, welches wir uns vielleicht selbst auch gewünscht hätten. Jemand, vor dem man nicht Angst haben muss. Jemand, dem man folgen möchte und von dem man lernen möchte. Von dem man gerne lernt, gerade weil man die Erlaubnis bekommt, dabei auch ganz sich selbst und eigenständig sein zu dürfen mit absurd anderen Ideen.

Schau mal ganz neugierig, braucht dein Alpha-Sein noch mehr Fürsorglichkeit und Wärme? Oder brauchst du eher mehr Klarheit, innere Präsenz oder die Erlaubnis, dass du so ganz, ganz deinen Raum einnehmen darfst und so fühl- und sichtbar für dein Kind wirst?

Viel Spass beim neugierigen Forschen!

Von Herzen, Kirsten


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Geschrieben von Kirsten Timmer, Gründerin von Transparents – Sie ist Psychologin, Psychotherapeutin und Elternberaterin und NARM-Therapeutin, dem Neuro-Affektiven Beziehungsmodell nach Dr. Laurence Heller. Sie liebt die transformierende Arbeit mit Eltern und Fachkräften sehr, lehrt in zahlreichen Trainings, Kursen oder spricht auf Kongressen. Sie hat an der Universität in Zürich/Bern Psychologie studiert, sich eingehend mit der Bindungsforschung auseinandergesetzt und danach eine Ausbildung zur humanistischen Psychotherapeutin nach C.R. Rogers durchlaufen. 2005 gründete Kirsten Timmer die «Arco Schule», ein Ort für natürliches, selbstbestimmtes Lernen. Seit 2007 ist sie Senior Student von Thomas Hübl, einem zeitgemäßen spirituellen Lehrer und Mystiker. Die Social Entrepreneurin ist glückliche Mutter eines heute erwachsenen Sohnes.


«Ich möchte mit TransParents und all den vielen Menschen, die diesem Ruf folgen, eine grössere Bewegung in die Welt bringen. Es sollen sich viele anschliessen und sich wieder erinnern, für was sie angetreten sind. Wir wollen füreinander da sein, mutig das Leben in die Hand nehmen und unsere co-kreative Gestaltungskraft aktivieren auf der Erde. Wir wissen, dass die Transformation für ein seelisch emotional gesundes Leben unserer Kinder in uns beginnt.»

– Kirsten Timmer

Transparents – Wir helfen Dir, die Beziehung zu dir und deinen Kindern zu stärken und positiv zu gestalten. Unser bewährtes Online Training «Beziehungsfähigkeit mit Kindern stärken» zeigt Dir Wege auf, wie Du mit herausfordernden Situation mit Babies, Kindern und Jugendlichen umgehen kannst. 


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