Kooperation mit Schweizer Stillkampagne 2023 – Text von Denise Petrikat
Es ist an der Zeit, über ein wichtiges Familienthema zu sprechen: das Stillen! In meinen Begleitungen im Wochenbett sehe ich, dass das Stillen für viele neue Mütter oft eine unerwartete und unterschätzte Herausforderung darstellt. Mit der richtigen Unterstützung und Planung kann es jedoch zu einer wunderbaren integrierten Erfahrung für die ganze Familie werden. Folgend eine kleine Auflistung meiner wichtigsten Punkte dazu.
Das Familiensystem verstehen
Das komplexe Netzwerk aus Beziehungen und Interaktionen, wirkt wie ein eigener Organismus. Es besteht aus verschiedenen Beteiligten und Akteur*innen: der Mutter, dem Vater, älteren Geschwistern, Grosseltern, Tanten, Brüdern und anderen Personen, die zum engen Kreis gehören. Jeder Teil dieses Systems hat eine einzigartige Rolle und Verantwortung inne. Und jetzt, wenn ein neugeborenes Mitglied hinzukommt, werden alle Rollen und Verantwortlichkeiten durcheinandergewirbelt. Die Karten werden neu gemischt und Aufgaben dürfen neu verteilt werden. Neue Herausforderungen, neue Routinen, neue Bedürfnisse, neue Liebe, neue Stressoren, neue Werte. Gerade in der Startphase, dem Wochenbett, wo so viel Neues auf die Familie wartet, ist es wichtig, dass dieses Familiensystem, sich zu stützen und nähren weiss.
Stillen als gemeinsame Aufgabe betrachten
Das Stillen des Babys soll nicht nur die alleinige Aufgabe der Mutter sein. Im Gegenteil! Die ganze Familie kann mit schon kleinsten Gesten unterstützend wirken. Die Mama braucht hauptsächlich Entspannung und Geborgenheit, um das Stillen zu erlernen. Es braucht Zeit, Vertrauen und Regeneration, denn Stress und Sorgen sind die grössten Feinde einer Stillbeziehung und der dazu gehörenden Milchproduktion. Kleine, unscheinbare Gesten können ganz einfach entlasten und Wertschätzung zum Ausdruck bringen. Zum Beispiel das Schlafzimmer lüften, das Bett frisch beziehen, frische Blumen auf das Nachttischchen stellen, Getränke bereitstellen oder die Geschwisterkinder bespassen und beschäftigen. Es gibt so viele Wege der Unterstützung!
Die Bedeutung des Stillens verstehen
Es ist essentiell für alle Familienmitglieder zu verstehen, warum das Stillen so wichtig ist. Auch die neuen Geschwisterkinder, der frischgebackene Grossvater oder die beste Freundin dürfen und sollen sich für dieses Thema interessieren. Wissen und Aufklärung können viel bewirken und zur Unterstützung beitragen. Stillen bietet nicht nur viele Vorteile für das Baby – einschliesslich einer besseren Verdauung, einem gestärkten Immunsystem und einer engeren Bindung zu seiner Mutter. Es ist zudem auch immens wichtig für die Mama, da es ihr hilft, schneller zu heilen, besser in den Schlaf zu finden und das Risiko von Brustkrebs und anderen Krankheiten zu verringern.
Verständnis und Empathie zeigen
Neue Mütter fühlen sich oft sehr unsicher, wenn es um das Stillen geht. Verständnis und Empathie seitens der Familie sind deshalb umso wichtiger. Unterstützt die Mutter dabei, sich wohl und sicher zu fühlen, während sie stillt. Zeigt ihr, dass sie nicht alleine ist und arbeitet gemeinschaftlich daran. Ermutigt sie, Probleme anzusprechen und traut euch selbst, Fragen zu stellen und Hilfe anzubieten. Achtet auf ihre Bedürfnisse. Das kann bedeuten, dass sich die Mutter mit dem Baby zurückzieht und nicht im Wohnzimmer stillen mag. Oder dass, gerade anfangs, nur Zuhause im Bett gestillt wird. Schafft Möglichkeiten und Raum.
Die Mutter nähren
In der Stillzeit spielt die Ernährung eine wichtige Rolle, um die Gesundheit der Mutter und des Kindes zu unterstützen. Während des Wochenbetts benötigt der Körper besonders viele Nährstoffe, um sich zu erholen, zu heilen, den Schlafmangel auszuhalten und Muttermilch zu produzieren. Ein ausgewogener Speiseplan mit qualitativ hochwertigen Nahrungsmitteln ist daher unerlässlich. Und auch diese grosse Aufgabe darf auf die Familie verteilt werden. Ich bin in meinen Begleitungen ein grosser Fan von einem individuellen «Familien-Ämtliplan» geworden. Es gibt nichts Besseres, als mit Liebe zubereitetes Essen und dies auch ohne Besuch, sondern mit einer lieben Karte vor die Türe gestellt. Auch hier verteile ich in meinen Begleitungen konkrete Aufgaben vom Einkaufen übers Zubereiten bis zum Servieren der Mahlzeiten. Weiter gibt es auch die Möglichkeit – meist von spezialisierten Wochenbett-Köchinnen – Essen für das Wochenbett liefern zu lassen.
Unterstützung von aussen annehmen
Support, Validierung und Halt für die neue Familie können Stress und dessen Folgen unbeschreiblich gut vorbeugen. Hebammen und Stillberaterinnen sind Expertinnen in Sachen Stillen und können wertvolle Tipps und Unterstützung ausserhalb des innersten Familienkreises bieten. Ich empfehle von Herzen zudem die Begleitung einer Wochenbett-Doula, um die Transformation von der Frau zur Mutter, das Ankommen im neuen Leben, das Neu-Einordnen der Rollen vielschichtig zu verarbeiten und zu integrieren. Es kann auch einfach Sicherheit bieten, eine Liste mit Telefonnummern von Fachpersonen bereit zu halten.
«Ich hätte gerne von Anfang an gewusst, dass ich auch im Liegen stillen kann»
Macht eine Stillplanung
Unterhaltet Euch bereits in der Schwangerschaft über den Stillstart mit der Hebamme, vertrauten Freundinnen und Freunden oder einer Wochenbett-Doula. Eine Vorbereitung – oder eben Stillplanung – kann helfen, Fragen und Bedenken im Voraus zu klären und auch romantisierte Erwartungen zu lüften. Die Planung sollte alle wichtigen Punkte umfassen, wie das vorgeburtliche ernten von Kolostrum, die Wahl einer geeigneten Stillposition, das richtige Anlegen des Babys, die Dauer und Häufigkeit des Stillens, die Verwendung von Brustwarzenpflegeprodukten sowie die Möglichkeit des Abpumpens und der Lagerung der Milch. Eine Stillplanung ist hilfreich, um sich auf mögliche Herausforderungen vorzubereiten.
Stillen auf Wunsch
Stillen auf Wunsch bedeutet, dass das Baby so oft und so lange wie nötig an die Brust darf. Wenn das Baby Hunger hat oder Nähe braucht, sollte es jederzeit gestillt werden dürfen. Stillen auf Wunsch ist wichtig für eine gute Milchproduktion und für eine enge Bindung zwischen Mutter und Kind. Es kann auch helfen, das Risiko von Brustentzündungen und anderen Komplikationen zu reduzieren. Das bedeutet jedoch auch, dass die Mutter möglicherweise viel Zeit mit dem Stillen verbringt. In dieser Zeit braucht die Mama wiederum die bestmögliche Unterstützung in jeglicher Form von ihrem Familiennetzwerk.
Selbstfürsorge ist ein wirklich wichtiger Schlüssel
Stillen kann anstrengend sein und, wie schon gelesen, viel Zeit in Anspruch nehmen. Gerade am Anfang; pro Brustseite 20 Minuten? Ja, da ist schnell eine Stunde rum. Die Mutter sollte sich daher Zeit für Ruhe und Erholung gönnen können. Das kann bedeuten, dass sie regelmässige Pausen einplant, in denen sie sich entspannen oder sogar schlafen kann. Auch ein kurzer Spaziergang an der frischen Luft oder ein Bad können helfen, Stress abzubauen und die Energie wieder aufzuladen. Die Aufgabe der Familie sollte es sein, der Mutter diese wichtige Zeit für sich selbst zu ermöglichen. Die «Mamafühler» für einen Moment einzufahren, kann gerade am Anfang eine richtige Oase bedeuten.
Machen wir's zur Familiensache!
Insgesamt, liebe Familien, ist das Stillen also eine Aufgabe, die von allen unterstützt werden sollte. Gemeinsam können wir sicherstellen, dass Mama und Baby alles haben, was sie brauchen, um erfolgreich zu stillen und gesund ins neue Leben zu starten. Also, lasst uns das Stillen zur Familiensache machen! Lasst uns die Mutter gemeinsam bemuttern.
Und hier findest Du noch weiter Tipps für den Stillstart von Medela.
Still-Zmorgä im Hiltl
Am 4. Oktober 2023 findet im Haus Hiltl Zürich das nächste Still-Zmorgä statt. Frischgebackene und werdende Mütter geniessen ein gesundes Frühstücksbuffet und können sich von unseren Stillberaterinnen all ihre Fragen rund ums Stillen beantworten lassen.
Kosten inkl. ein Heissgetränk: 39.– Fr. pro Person (Kinder sind gratis).
Die Online-Anmeldung findest du auf: www.stillkampagne.ch/promotionen
Denise Petrikat begleitet im Raum Zürich als Wochenbett- und Matreszenz*-Doula Mütter und Familien und ist Mitgründerin der neuen, holistischen Doula Ausbildung Womb Expansion
* Matreszenz: Im Gegensatz zur allgemein bekannten Pubertät ist die Muttertät – eben auch genannt Matreszenz (engl. Matrescence) – eine weniger erforschte Entwicklungsphase, obwohl sie genauso bedeutsam ist. Während dieser Phase erleben Frauen Veränderungen in ihrer Identität, ihrem Körper, ihren zwischenmenschlichen Beziehungen und letztendlich auch in ihrer Weltanschauung. Mütter sind wir nicht. Mütter werden wir! Und das braucht Geduld, Zeit und Unterstützung!
Die Stillkampagne 2023 wird unterstützt von
MEDELA als Presenting Partner & SWICA als Co-Sponsor