Am 19. April vor einem Jahr, mitten in der Pandemie, durfte ich zusammen mit meiner Tochter die schönste Geburt erleben, die ich mir überhaupt hätte vorstellen können. Für mich war sie perfekt, einzigartig und ein ganz besonderer Zaubermoment, welchen ich als Erinnerung ewig in mir tragen darf. Im übertragenen Sinne habe ich auch unglaublich viel fürs Leben gelernt und mitgenommen. Zum Beispiel einfach nur zu atmen, bei mir zu bleiben, nach Innen zu schauen und das Aussen auszublenden. Fokus. Demut. Liebe. Magie.
Hättest Du mir vor zwei Jahren gesagt, dass ich mal zuhause gebären würde, hätte ich Dich ausgelacht. Einfach weil ich meine erste Geburt, resp. die von meinem Erstgeborenen vor elf Jahren schon sehr stimmig und schön fand, im Spital, mit PDA zur rechten Zeit und einer ziemlich unkomplizierten und verhältnismässig kurzen Geburt. Im Spital zu gebären war für mich also kein Widerstand ansich. Und so mutig, dass ich es mir von Anfang an vorgenommen hätte, war ich nun auch wieder nicht. Ich bin eher so der „Let it flow“ Typ, der sich gerade mal mit dem beschäftigt, was gerade ansteht, der „im Jetzt“ Typ…
Was mich auf die Idee gebracht hat? Ein Impuls… Ich habe diesmal einen Geburtsvorbereitungskurs bei meiner Doula in Anspruch genommen und war neugierig. Als Unsicherheiten bezgl. der Pandemie aufkamen, Fragen wie «was, wenn ich mitten in einer Welle gebären muss?», «aber das ausgesuchte Spital ist doch ein offizielles Quarantänespital?», das Spital konnte mir leider keine Auskunft geben, da sie wohl genauso überfordert mit der Situation waren wie wir alle. Auf jeden Fall lag es mir am Herzen zu wissen, wie ich gebären werde und kann. Also habe ich angefangen, Alternativen zu suchen.
Ich wollte von Anfang an eine selbstbestimmte Geburt, egal wo
Die erstbeste Option nach der Spitalgeburt war für mich das Geburtshaus, aber leider war kein Termin mehr für mich frei. Dann kam ziemlich bald die letzte Option, die Hausgeburt. Ich habe meine Doula, Sandra Ackermann von Geburt und Kind (20 Jahre Berufserfahrung) mit einem Haufen Fragen zum Thema Hausgeburt gelöchert, für das ist sie ja auch da. Schade, dass einem die Frauenärztinnen und Frauenärzte in der Beratung einem nicht von Anfang an neutral und offen die Möglichkeiten aufzeigen. Ich hatte keine Ahnung wie «normal» doch so eine Hausgeburt sein kann, wenn die Umstände der Schwangerschaft und dem Gesundheitszustand der Mutter und des Babys es zulassen. Natürlich habe ich auch mit meiner Frauenärztin darüber gesprochen. Sie war nicht unbedingt begeistert aber hat zugegeben, dass dies nicht so eine schlechte Idee ist in einer Zeit wie dieser. Also mit einem weinenden Auge hat sie der Sache «zugestimmt», resp. sie kennt mich ja auch schon seit über zehn Jahren und weiss, dass alles andere jetzt nichts bringen würde. Wieso auch? Eine selbstbestimmte Geburt heisst ja in erster Linie selbst zu entscheiden, wie und wo die Geburt stattfinden soll.
Nachdem ich wusste, dass einer Hausgeburt nichts mehr im Wege stehen würde (2 Monate vor errechnetem Geburtstermin) musste ich jedoch noch eine Hebamme finden, die diesen weg so kurzfristig mit mir gehen möchte und kann, geschweige denn Zeit hat. Ich habe gegoogelt und rumtelefoniert. Ich habe jedes Geburtshaus nach der besten Hebamme in Zürich gefragt. Es hiess, die Hebamme Cristina Marinello sei sowas wie Michal Jackson unter den Hebammen. Also im guten Sinne versteht sich. Dann habe ich sie gegoogelt, angerufen und sie gefragt, ob sie Zeit für uns hat. So unkompliziert ging es dann auch weiter. In diesem Moment hat sie ihre Agenda aufgeschlagen und gesagt «Du hast Glück, es hat jemand abgesagt, ich habe Zeit». Nein das war kein Zufall, das war auch kein Glück, sondern das musste so sein. Ich bin schlicht und einfach meinen Impulsen gefolgt und habe diese umgesetzt. Immer schön im «Flow» bleiben…
Dann rief ich meine Freundin an und erzählte ihr von meiner Entscheidung und sie meinte, super, ich habe beide Kinder zuhause auf die Welt gebracht, mit der genau gleichen Hebamme, sie ist die Beste! (noch ein Zeichen)
Wie ich mich auf meine Hausgeburt vorbereitet habe
- Ich habe mich ganz bewusst von traumatischen Geburtserlebnis-Geschichten distanziert, einfach um einen klaren Kopf zu bewahren und allerlei Ängste von meinem Kopf fernzuhalten.
- Ich habe alle Dokumentationen im Netz und auf Netflix geschaut, die über schöne Hausgeburten berichten.
- Ich habe Bücher wie «Flow Birthing» gelesen, das perfekte Buch zur natürlichen Geburt (nicht nur zuhause).
- Ich habe eine wunderbare Verbindung zu meiner Doula und meiner Hebamme aufgebaut, denn schliesslich sind diese Menschen bei einem der wichtigsten Momente für mich und meine ganze Familie in intimster Atmosphäre dabei. Eine Geburt ist etwas persönliches und intimes, sowie energetisch sensibles.
- Anstatt einer Babyshower-Party habe ich einen Frauenzirkel mit meinen Lieblingsfrauen gegründet, einen WhatsApp-Chat wo wir schöne Lieder für die Geburt zusammengestellt haben, jeden Vollmond ritualisiert und im Namen meiner Tochter meditiert und mit ihrer Seele kommuniziert haben. Alle hatten einen Altar zuhause für sie gebaut und zum Zeitpunkt der Geburt haben wir alle meditiert und die Geburt, den Ort, meine Tochter und mich selbst gesegnet.
Der Geburtsaltar im Geburtszimmer und bedingungsloses Vertrauen
Jeden Abend habe ich die Kerze auf dem Altar im Geburtszimmer angezündet und die Geburt so manifestiert wie ich sie mir gewünscht habe. Ich habe mir jeden Tag vorgestellt, was für eine wunderschöne Geburt ich haben werde und ich habe mir den Satz «Fake it till you make it» fett hinter die Ohren geschrieben. Von Tag eins an war ich zu 100% davon überzeugt, dass ich alles habe, was eine Hausgeburt-Mama haben muss. Was auch immer eine „Hausgeburt-Mama“ bedeutet, aber meine Hebamme hat bei der Nachkontrolle nach der Geburt gesagt, sie sei froh hätte ich mich für eine Hausgeburt entschieden, das sei für mich die wohl optimalste Option gewesen, ich sei eine typische Hausgeburt-Mama. Man bedenke, ich hatte es in der „Not“ als letzte Option gesehen. Genau so ist das Leben. Es überrascht dich und es belohnt dich für das Vertrauen. In die eigene Urkraft kommen, in die weibliche Kraft, in die Verbindung mit dem Universum, dem göttlichen. Bedingungsloses Vertrauen ins Leben, meiner Tochter gegenüber, meinem Partner, der Doula und natürlich in die Hebamme aufbringen. Der Angst trotzen. Ich war furchtlos. Ok, die Hypnose von meiner Doula, die ich schon vor der Geburt oft gehört habe, hat schon auch sehr geholfen. Vor, während und auch nach der Geburt.
Der Moment als es losging, die Geburt meiner Tochter
Es war der 18. April um 23 Uhr, zu Beginn des Abspannes der letzten schönen Hausgeburt-Dokumentation auf Netflix. Die Doku war so stimmig, dass ich gleich Lust bekommen habe zu gebären. Hier und jetzt, in meinem Zuhause, eine Woche vor dem errechneten Termin. Ich kannte dieses «Zwicken» im Bauchbereich schon von der ersten Geburt. Es waren ganz leichte Wehen… Ich war mir bewusst, ich muss nichts tun ausser entspannen. Ich darf im Pyjama bleiben, einfach nur geduldig sein. Das war ich. Ich habe meiner Doula geschrieben, dass ich sie wohl in ein paar Stunden aus dem Bett jagen muss, aber mich nun erst mal hinlege, vielleicht waren es nur Vorwehen, kein Schleimpfropf weit und breit… Um ungefähr drei Uhr Morgens riss mich eine gemeine Wehe aus dem Bett! Ich schrieb meiner Doula und 15 Minuten später stand sie vor meiner Haustür. Ich solle ihr meinen Schmerz beschreiben… Ich sagte, alles entspannt, zuckt nur ab und an aber ich glaube wir haben noch etwas Zeit bevor es losgeht. Ich fing an das Geburtszimmer aufzuräumen, Wäsche zusammenzulegen und schwirrte beschäftigt in der Wohnung herum. Die Wehen wurden immer stärker, kontinuierlicher und schmerzhafter. Ich habe versucht, mich in meinen Wehenpausen so gut es geht, zu entspannen und mich auf meine Gedanken zu konzentrieren, dass meine Doula kaum einschätzen konnte, wie weit wir sind. Ich hatte meinen Fokus auf die Pausen, statt auf den Schmerz gelegt. Sicherheitshalber rief sie meine Hebamme trotzdem an, damit sie sich schon mal auf den Weg macht. (40 Min Autofahrt)
In der Zwischenzeit habe ich mich in mein Bad zurückgezogen, um komische Yogaübungen zu machen, die Waschmaschine zu «hauen» und zugegebenermassen auch um zu fluchen. Ich habe mit den Wehen gesprochen. Ich habe sie richtig geschimpft und ich wollte allein sein. Meine Doula klopfte irgendwann mal schüchtern an der Tür und sagte «mach bitte die Tür auf»… (ich habe mich zusammengerissen und die Tür aufgemacht). Da waren glaub ich alle froh.
„Weil es mir gut geht, weil ich erfüllt bin vor lauter Glück, Adrenalin, Serotonin, Dopamin, Oxytocin und was auch immer sonst noch so aus einem raussprudelt, wenn man eine entspannte, erfüllte, gelungene, perfekte Geburt erleben durfte.„
Racha Fajjari
Dann kam ich raus und verkündete, «ich glaube jetzt geht’s los». Mein Partner und meine Doula hatten eine so gute Connection, dass Teamwork wunderbar funktionierte. Die beiden haben sich schon im Geburtsvorbereitungskurs kennengelernt, das war wichtig. Nun ging es darum, dass wir den Geburtspool noch füllen mussten, und zwar in perfekten Temperatur. Das war nicht einmal so einfach. Erst spritzte der Schlauch im Schlafzimmer rum, mein Partner und meine Doula mussten lachen so witzig war die Szene, mir war alles egal, ich stieg in den halbvollen Pool und erfreute mich an dem heissen Wasser, der meinen Schmerz minimierte. Das hat soooo gut getan!
Ich habe während der Geburt mit meinem Baby kommuniziert
In diesem Moment war ich schon mit Presswehen beschäftigt, die immer intensiver wurden. Gut war, dass ich überhaupt keine Ahnung hatte, wo wir stehen. Hätte noch lange dauern können, hätte aber auch in einer Minute geschehen können. Im Dunkeln zu tappen, ohne Geräte, ohne Kontrolle, ohne Hand in der Vagina, ohne Gepiepse, ohne Einschränkungen, ohne Lärm, ohne Schmerzmittel, abgelenkt und fokussiert in meiner ganz eigenen Energie, in meinem ganz eigenen Film, in meiner ganz eigenen Connection mit meiner Kleinen, der ich inmitten der intensivsten Wehen zugeflüstert habe, ok «let’s do this… together.». Es war dieser innere Dialog, in welchen ich zusammen mit meiner Tochter gegangen bin, den ich niemals vergessen werde. Ich wusste, dass wir gerade dabei sind, gemeinsam eine absolute Meisterleistung zu erbringen.
Die Hebamme ist angekommen
Die Hebamme ist da. Sie kommt hoch und bevor sie ihren Koffer auspacken konnte, begrüsste mich, ich hielt ihre Hand und genau in diesem Moment kam die letzte Presswehe, ich drückte mich vor lauter Schmerz mit meiner Hand ganz fest in ihre, ich war froh war unser Team nun komplett, ein paar Sekunden später wurde es ruhig und ich sagte überrascht «Oh mein Gott, ich glaube sie kommt». Und da war er schon der süsse kleine Kopf. Unsere Kleine hat auf ihre Hebamme gewartet. Im wahrsten Sinne des Wortes «Plums», danach ging mein Gedankengang so weiter, «also, wenn der Kopf nun raus ist, habe ich das schmerzhafteste überstanden? Oder sind die Schultern bei einem Neugeborenen breiter als der Kopf und wie zur Hölle kommen nun die beiden Schultern da unten raus?». Dieses Kopfkino war meine Rettung, denn kurz danach war sie schon draussen. Ein bisschen erinnert mich ihr auftauchen an eine Seife die dir aus den Händen «flutscht». Jetzt habe ich dich wohl mit meinem Kopfkino angesteckt. Kein Geschrei, kein Weinen, kein Blut, kein Dammriss, kein gar nichts.
Nur acht Minuten nach Ankunft der Hebamme und gleich danach kam der Gedanke «Gott sei Dank muss ich die Nabelschnur nicht selbst abschneiden, auspulsieren lassen und dann die Plazenta rausziehen.» Glück gehabt!
In diesem Moment ist mir auch einmal mehr klar geworden, dass ich einen so wundervollen Partner und Teamplayer an meiner Seite habe. Er war mein Ruhepol, meine Kraftquelle, mein Fels in der Brandung und ich bin froh habe ich ihn in den schmerzhaftesten Momenten nicht erdrückt. Es war seine erste Geburt und er hat das grossartig (mit)gemacht. Alles, die Schwangerschaft, die Geburt, das Wochenbett, die Anfangszeit, bis heute und für immer werde ich dankbar dafür sein, dass ich ihn in meinem Leben und an meiner Seite haben darf. Grossartig!
Die ersten Minuten haben wir als Familie die erste gemeinsame Zeit auf unserem Bett in vollen Zügen, sowie dankbar und demütig vor diesem Glück genossen, inkl. Unserem Hund, der uns ganz neugierig mit der Schnauze auf der Bettkante beobachtete. Dank dem Tipp meiner Hebamme ging das Andocken zum Stillen wunderbar. Sie sagte «Stell dir all die süssen Welpen vor, die die Brust auch irgendwie selber finden müssen und das tun sie auch immer». Das war eine schöne Vorstellung und hat mir auch viel Druck genommen.
Danach liess ich die Hebamme ihre Arbeit machen, lief in die Küche und mixte mir einen Smoothie. Auf dem Rückweg in mein Zimmer begegnete mir meine Hebamme im Gang und sie erinnerte mich daran, dass ich vor nur paar Minuten geboren hätte und weshalb ich denn jetzt schon wieder am Rumschwirren sei.
Die Antwort darauf war: Weil es mir gut geht, weil ich erfüllt bin vor lauter Glück, Adrenalin, Serotonin, Dopamin, Oxytocin und was auch immer sonst noch so aus einem raussprudelt, wenn man eine entspannte, erfüllte, gelungene, perfekte Geburt erleben durfte.
Und das Beste ist, ich weiss, dass ich mein Bestes gegeben habe und mein Bestes muss immer reichen. Diesmal hat es mehr als gereicht. Und ich bin unglaublich dankbar dafür.
Dies war übrigens die 325igste Hausgeburt für meine Hebamme.
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